Wie die Kirche Gamification nutzt

Neulich sah ich, wie mein sechsjähriger Sohn Anton in den Keller lief. Eine schnelle Besorgung für meine Frau. Er lief die Trepper herunter, er lief sie wieder hoch und gab meiner Frau was er ihr bringen sollte. Dann machte er etwas, was meine Neugierde weckte. Er griff in seine linke Hosentasche, holte einen kleinen Gegenstand heraus, um ihn dann wieder in die rechte Hosentasche zu stecken. Ich möchte im folgenden beschreiben was Gamification damit zu tun hat.

Kirche

Auf meine Nachfrage was er da macht erfuhr ich, dass er es in der Kirche im Schulgottesdienst gelernt hat. Der Pfarrer sagte, er soll für jede gute Tat die er täglich macht, eine Bohne von der linken in die rechte Hosentasche stecken. Am Abend soll er dann die Bohnen in der rechten Hosentasche zählen. Er erhält ein direktes Feedback, wie viele gute Taten er gemacht hat. Dieses Feedback ist Gamification.

Wenn du etwas machst, in diesem Fall eine gute Tat, dann bekommst du etwas zurück, eine Bohne. Und jeden Abend kannst du deinen Erfolg quantitativ messen. Es handelt sich um einen extrinsischen Anreiz, der Belohnung. Die Bohne als Wirkungsverstärker einer guten Tat. Weiterhin stellt die Summe der Bohnen einen Fortschrittsbalken dar.

„Epic Meaning“ nennt es Yu-Kai Chou

Im weiteren Prozessverlauf kann er weitere Belohnungen erhalten – Anerkennung. Nicht nur durch seine nächsten Verwandten, denen er es stolz erzählt und die sein Verhalten mit Anerkennung belohnen. Auch von seinen Schulkameraden mit denen er sich im Anschluss des Schulgottesdienstes messen kann. Bei Anerkennung kann es sich um einen extrinsischen zugleich aber auch um einen intrinsischen Anreiz handeln. Es werden hier Soziale Anschlussmotive (Verlangen nach Beziehung und Bindung) wie auch Leistungsmotive (Antrieb erfolgreich zu sein. Streben nach Erfolg und Glück. Dinge besser machen als andere) angesprochen.

Die Kirche setzt also auch darauf, spielerische Elemente zu benutzen. Nicht nur die Bohnen entsprechen einem Spielelement also Gamification. Auch den Rosenkranz kann man mit Gamification in Verbindung bringen.  Dabei entspricht ein Gesätz (Ein Vaterunser, zehn Ave Maria und ein Ehre sei dem Vater) quasi einem Spiellevel. Man sieht das sofortige Feedback wo man sich gerade im Fortschritt befindet. Von aussen betrachtet nur ein einfacher Wirkungsverstärker. Vom Standpunkt der ausführenden Person jedoch noch weitaus mehr als das. Betet man doch nicht einfach nur aus Spaß sondern mit dem Glauben an etwas Höheres. „Epic Meaning“ nennt es Yu-Kai Chou.

Ich habe Anton nach einer Weile gefragt, ob er immer noch die Bohnen benutzt. Leider nein war meine Feststelltung. Die Begründung liegt aber nicht an der Benutzung von Gamification. Die praktische Umsetzung war nicht ganz ausgereift. Nicht genug „Design Thinking“. Nachdem meine Frau die Bohnen einzeln aus den Hosentaschen fischen musste um die Hose waschen zu können, wurde das Projekt seltsamer Weise eingestellt. Anton läuft aber weiterhin gerne für Mama in den Keller.

Ich persönlich habe einen Glauben. Ich glaube an die Macht des Spiels 🙂

Fanden Sie meinen Beitrag interessant? Ich freue mich sehr auf Ihre Meinung. Diskutieren Sie mit mir gerne im persönlichen Gespräch.